Präventionsprogramm „Stark auch ohne Muckis“

Beleidigen. Jemandem etwas wegnehmen. Schubsen – so baut sich ein Schulhofstreit auf. Wie man solche Situationen entschärft, zeigt das Präventionsprogramm „Stark auch ohne Muckis“, an dem die mehr als 200 Schülerinnen und Schüler der Grundschule Waldweg im Schuljahr 2022/23 teilgenommen haben. An jeweils einem ganzen Schultag erarbeitete jede Klasse Strategien, um Konflikte gewaltfrei zu lösen. Finanziert wurde das Projekt aus dem Aktionsprogramm „Startklar in die Zukunft“, mit dem das Land Niedersachsen Kinder dabei unterstützen will, die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen.

„Wer von Euch ist schon mal beleidigt worden?“, fragt Selbstbehauptungstrainerin Berrit von Boetticher die Kinder der Klasse 4c. Zehn Hände schießen in die Luft. „Krass, das sind ja ganz schön viele“, stellt die Trainerin fest. „Und welche Beleidigungen kennt ihr?“ Es fallen Schimpfworte wie „Hurensohn“, „Schlampe“, „Fuck you“. Berrit von Boetticher geht auf jedes einzelne ein, klärt, was es bedeutet. „Solche Worte können verletzen und dafür sorgen, dass wir uns schlecht fühlen“, sagt sie – und zeigt gleich den Ausweg auf: „Versucht eine Beleidigung an euch abprallen zu lassen. Indem ihr ruhig bleibt und euch klar macht, dass derjenige, von dem die Beleidigung kam, erst mal nur seine Meinung gesagt hat. Aber nicht jede Meinung ist richtig, dann ist auch nicht jede Meinung wichtig.“

Merksätze wie diesen lässt die Selbstbehauptungstrainerin die Kinder an diesem Tag mehrfach wiederholen, laut und immer im gleichen Rhythmus. Zusammen mit den Schülerinnen und Schülern spielt sie Theaterszenen und macht vor, wie man auf Provokationen reagiert. Sie bespricht mit den Kindern, wie sie mit Wut und Ängsten umgehen können. Und zeigt, wie die richtige Körpersprache verhindern kann, dass man überhaupt angegriffen wird: „Füße fest auf den Boden, Schultern gerade, und dann schaut den anderen in die Augen“, rät die Trainerin. „Wer so dasteht, wird in Ruhe gelassen. Das ist also drin für euch, wenn ihr mutig auf den Schulhof geht.“ Zwischen den Einheiten sind die Jungen und Mädchen immer wieder in Bewegung, laufen durch den Raum, klatschen, koordinieren Hände und Arme zum Takt eines neuen Merksatzes.

„Wir haben das Programm an unsere Schule geholt, um die Sozialkompetenz unserer Schülerinnen und Schüler zu verbessern“, sagt Frau Kretzschmar, Schulleiterin der Grundschule Waldweg. Als Folge der Corona-Pandemie sieht sie bei vielen Kindern großen Nachholbedarf, was den Umgang mit Konfliktsituationen angeht. „Darum wollen wir das „Stark auch ohne Muckis“ -Konzept langfristig an unserer Schule implementieren“, so die Schulleiterin. Dazu beitragen soll eine schulinterne Lehrerfortbildung (Schilf) zum Thema. „Künftig möchten wir erreichen, dass alle Erstklässler bei uns an einem solchen Training teilnehmen“, hofft Frau Kretzschmar.

„Was können wir tun, damit alle sich gut fühlen?“, fragt Berrit von Boetticher die Kinder der Klasse 4c. „Wir können zusammen spielen“, schlägt Jim vor. „Oder uns nette Sachen sagen – zum Beispiel: „Du bist schlau“, ergänzt Anton. Die Selbstbehauptungstrainerin nickt. „Ihr seid eine Klasse, ein Team“, erinnert sie die Kinder. „Und in Teams macht man sich gegenseitig groß, damit jeder sein Bestes geben kann.“

Nach ihrem Trainingstag haben die Schülerinnen und Schuler der Waldwegschule einen ersten Schritt in diese Richtung getan.